Kunstmarkt 1. Teil

Gedanken zum Kunstmarkt der bildenden Kunst

Der Archaische Kunstmarkt

Obwohl sich der Kunstmarkt modern gibt und man vermutlich auf die Frage, was denn modern sei, oft die Antwort  Kunst ist modern bekäme, so ist der Kunstmarkt in seinem Wesen keineswegs modern, sondern durch und durch von archaischen Strukturen geprägt. Meine Betrachtungen beziehen sich auf den Kunstmarkt der bildenden Kunst und hier mit dem Focus auf die Malerei.

Künstler ohne Sicherheit

Die Basis bilden die Künstler. Das sind tausende, zehntausende, weltweit sogar Millionen von Sklaven. Doch diese Sklaven haben keinen Herrn. Sie sind die Sklaven ihrer selbst. Sie sind Opfer ihrer psychischen Struktur, die es ihnen erlaubt, sich selbst auszubeuten. Unermüdlich bemalen, bedrucken und besprühen sie Papier und Stoff, bearbeiten Steine und Holz, Metall und Styropor, bauen alles was sie finden können zu Installationen zusammen. Ohne festen Lohn, oft mit wenig Schlaf, ohne Krankenversicherung und Arbeitsschutz, ohne bezahlten Urlaub und ohne Altersvorsorge, die ihren Lebensunterhalt in den meisten Fällen in ganz „normalen“ Jobs verdienen und daher in einem ständigen Zwiespalt leben.

Die Künstler selbst sind ein lukratives Marktsegment

Um diese Sklaven ihrer selbst herum ist mittlerweile eine große und sehr lukrative Industrie entstanden, die sie mit den benötigten Materialien und Werkzeugen versorgt. In diesen Unternehmen, die von den Künstlern leben, werden, zumindest in den zivilisierten Ländern, den Mitarbeitenden ihre Arbeitsrechte wie selbstverständlich gewährt, man geht um fünf nach Hause und hat am Monatsanfang seinen Lohn auf dem Konto. Auch hat sich um die Künstler herum eine Dienstleistungslandschaft etabliert und es wird mit dem Traum des Künstlers vom Erfolg mit Coachings, Kunstmessen mit überteuerten Teilnahmebeiträgen und Mitgliedsbeiträgen zu Verkaufsplattformen, auf denen nicht nur der Durchschnittskünstler in der Masse untergeht, den Künstlern noch ihr, oft auch mit anderer harter Arbeit jenseits der Kunst verdientes Geld,  aus der Tasche gezogen. Auch die illegalen Gauner und Betrüger haben längst die Künstler und ihre überwiegende Naivität für ihre Betrugsmaschen entdeckt und man versucht die Kunstschaffenden über die sozialen Netzwerke in die verschiedensten Fallen zu locken.

Künstler Opfer der Struktur des  Kunstmarktes

Warum all dies so ist liegt auch daran, daß sich die wenigsten Kunstschaffenden bewußt machen, wie der Kunstmarkt funktioniert, so wie auch der Lottospieler nicht in der Lage ist, zu ermessen, wie gering seine Chancen auf den Millionengewinn sind. Ein wenig weltfremd ist ein großer Teilder Kunstschaffenden ja schon, glauben sie ja auch für sich, daß ihre Kunst im rechtsfreien Raum stattfindet, in dem weder steuerliche Vorschriften, noch Gesetze zum Arbeits- und Umweltschutz gültig sind. Auch ich war erstaunt, zu erfahren, daß ich mich beim Grünen Punkt anmelden muß, da ich ja meine Bilder in einer Verpackung verschicke und für Entsorgung zu sorgen, sprich zu bezahlen habe.

Vereinfacht gesagt funktioniert es so, daß einmal im Jahr eine Gruppe von Galeristen und Kuratoren aller Geschlechter über den Sklavenmarkt der Künstler geht und mit ihrem Stab hier dem einen, dort einer anderen das Siegel Kunst auf die Stirn brennen und damit ihren Namen zu einer offiziellen Währung deklarieren.

Der Kunstmarkt reduziert Kunst auf eine Währung

Und so wie wir im Geschäfts- und Alltagsleben Währungen wie Euro, Dollar und Pesos haben, mit jeweils einem bestimmten durch Nachfrage und wirtschaftlicher Stärke des Landes bestimmten Wert, so gibt es auch in der Welt der Kunst Währungen und wenn man die der Künstler ab Mitte des 19. Jahrhunderts betrachtet, die heute im mindestens sechsstelligen Bereich gehandelt werden, so dürften das in etwa so viele sein, wie wir heute offizielle Währungen auf der Welt haben.

Da gibt es die Währungen Chagall, Picasso, Munch und Klimt, aber auch, bezeichnenderweise, Manet und Monet, Pollock, Bacon, de Kooning, Warhol und viele, viele andere und wir haben den aus Deutschland stammenden aber international gültigen Richter, die Grosse, den Uecker. Wieviel Uecker man nun braucht um in einen Richter umzutauschen, mag sich jeder selbst ausrechnen. Alles zweifelsohne großartige Künstler, aber eben nicht die einzigen unter den Kunstschaffenden vieler Generationen, die es verdient hätten, so wertgeschätzt zu werden, aber vom Kunstmarkt ignoriert wurden.  Natürlich, so einige von denen wurden dann postum anerkannt. Überhaupt hat der Kunstmarkt auch einen großen Faible für verstorbene Künstler. Einerseits weil man sich mit ihren Schrullen und Eigenheiten nicht mehr rumärgern muß, andererseits, da ihr Oeuvre und somit die Anzahl ihrer Werke abgeschlossen ist und ihr Marktpreis nicht durch ständig neu produzierte Bilder verwässert werden kann. So manchem Galeristen treibt ja die Produktivität seines Künstlers die Schweißtropfen auf die Stirn.   

Der Kunstmarkt ist ein Geldmarkt

Wie sehr der Kunstmarkt dem Geldmarkt ähnelt, kann man auch daran erkennen, daß, seit es diesen gibt,  gefälschte Kunstwerke auf den Markt kommen.

Daß ein großer Teil des Kunstsachverstandes vieler am Kunstmarkt Beteiligter zu Teilen auch nur aus heißer Luft besteht, kann man daran  erkennen, daß es Wolfgang Beltracchi über 35 Jahre hinweg möglich war „verschollene“ Werke von Malern wie Campendonk, Max Ernst, Fernand Léger, Derain, Dufy Max Pechstein und bis zu 50 weiteren ohne Probleme auf dem Kunstmarkt anzubieten und für Millionenbeträge versteigern zu lassen, ohne, daß einer all der beteiligten Experten etwas gemerkt hat. Natürlich war auch das Interesse gering, diese Fälschungen zu entlarven, da man ja bei jedem Verkauf nicht unerheblich verdiente. Auch nach der Entlarvung Beltracchis hatte kein Museum ein Interesse daran seinen Bestand unter die Lupe oder das Schwarzlicht zu nehmen.

Aber wozu braucht man Währungen überhaupt ? Ja, man braucht Währungen für einen Markt. Ansonsten wären diese überflüssig.

Natürlich gibt es unter den Millionen von Künstlern sicher Tausende, bei deren Kunst es genauso berechtigt und angesagt wäre, diese zu einer Währung zu stempeln und den Künstler zu einer Marke zu machen, doch daran hat der Markt kein Interesse, denn der zu verteilende Kuchen der Investoren wird für die Galeristen und Auktionshäuser dadurch nicht größer, das einzige was man mit mehr Künstlern hat, ist mehr Arbeit, aber eben nicht mehr Gewinn.

Käufer und Investoren 

Und nun kommen wir zur nächsten Gruppe der Beteiligten am Kunstmarkt und es ist eine, ohne die der Kunstmarkt kein Markt wäre: Die Käufer und Investoren.

Der Mensch ist auf Gewinn aus. Jeder. Ausnahmslos. Auch der Mönch, der den siebten Tag ohne Unterbrechung mit seinen entzündeten Knien auf dem Steinboden seiner Zelle betet, ist auf Gewinn aus, allerdings im Jenseits hofft er mehr zu erhalten, als er an Schmerzen und Unbill gegeben hat. Und auch der Unmotivierte und die Faulen sind auf Gewinn aus. Deren Gewinn besteht darin, nichts tun zu müssen, also im Genuß von Bequemlichkeit. Vielleicht sind die sogar die Cleversten, denn Ihnen ist ihr Gewinn garantiert, Risiko gleich Null. Daß das Streben nach Gewinn ein im Laufe der Evolution herausgebildeter Charakterzug des Menschen ist, haben vermutlich die meisten am Feldversuch des real existierenden Sozialismus in all seinen Ausprägungen beobachten können.

Das Wesen des Gewinns ist, daß ich mehr bekomme, als ich  gebe. Und das Streben nach Gewinn ist der Wunsch einen „Reibach“ zu machen, also vom Universum etwas geschenkt zu bekommen. Wer freut sich nicht darüber, wenn er 50 Euro findet, deren Besitzer beim besten Willen in der Rush Hour nicht mehr auszumachen ist. In der Regel wird die Freude durch den Gedanken an die Pein des Verlustes des Verlierers nicht aufgehoben und wir trösten uns damit, daß er den Verlust gar nicht bemerkt hat oder von Haus aus mehr Geld hat , als wir, sonst würde er ja auch besser darauf achtgeben. Überlebt und sich vermehrt hat also der Mensch, der die Höhle verließ, beim Streben nach Gewinn, in der Hoffnung, einen nicht weit entfernten Stein nur umdrehen zu müssen um die Grundlage für eine schöne Mahlzeit vorzufinden, ohne dafür allzu viel getan zu haben. Nur, wenn er unter dem Stein nichts findet, setzt er seine Suche fort.

Kunst zum Spekulationsobjekt degradiert

Nicht viel anders verhält sich der Investor, der für ein Bild von Basquiat zwei Millionen bezahlt, für das er auf einem Markt irgendwo, ohne eine bekannte Signatur,  keine 100 Dollar bezahlt hätte, einzig und allein aus dem Grunde, da für das Bild ein Jahr zuvor auf einer Auktion bereits 1 Million bezahlt wurde und andere bei der aktuellen Auktion bereit waren, dafür wesentlich mehr zu bezahlen.

Und selbst für den Kleinanleger, bietet der Kunstmarkt die Möglichkeit sich mit 50 Euro monatlich an einer Art Kunstfonds zu beteiligen, als Alternative zu einem Aktienfonds. Ab 100 Tausend Einlage kann man sich auch an den Blue Chips auf dem Kunstmarkt beteiligen.

Daß sich der Investor den eben erworbenen Basquiat ins Wohnzimmer hängt ist allerdings eher unwahrscheinlich. Zu hoch wäre die Versicherungsprämie und zu groß die Gefahr, daß die Putzfrau irgendwann der Versuchung nicht widerstehen kann, den hässlichen Fleck unten links endlich mal fachmännisch, sprich mit Glitzi-Schwamm oder Scheuermittel zu entfernen. Also wandert das Bild in ein klimatisiertes Lager und wartet dort darauf ein Jahr später von einer Spezialfirma zur nächsten Auktion transportiert zu werden. Daß die „Blue Chips“  unter den Kunstwerke immer teurer werden, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, daß bei jeder Auktion ca. 30% des Zuschlagpreises als Courtage fällig werden. Und dann kommen ja noch die laufenden Kosten hinzu, wie Lagerung, Versicherung, Logistik.  

Um die 0,5 %  bis  4% Folgerechtsabgabe die lebenden Kunstschaffenden und deren Erben bis 70 Jahre nach deren Tod in vielen Ländern bei jedem gewerblichen Verkauf gesetzlich zustehen, damit diese auch ein wenig von der Wertsteigerung ihrer Kunstwerke profitieren können, schert man sich in der Regel auf dem Kunstmarkt einen Dreck.

Ich rede mich und schreibe natürlich leicht, da ich nicht die Sorge habe eine  Million unnütz rumliegen zu haben und nicht die Schmerzen ertragen muß, dabei zuzusehen wie diese Million selbst bei nur 2% Inflation monatlich 1.700 Euro an Wert verliert.  Mit einer Million könnte man allerdings hunderte großartige und wunderbare  Kunstwerke kaufen, anstelle eines Basquiats. Doch wohin damit ? Man müßte ein ganzes Gebäude erstellen, um all diese so präsentieren zu können, wie sie es verdienten.

Und so sollten wir alle uns öfter bewußt machen, daß das teuerste an einem Kunstwerk, in den meisten Fällen, immer noch der Platz an der Wand ist.

 

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Ihr Otto Frühwach

1 Kommentar zu „Kunstmarkt 1. Teil“

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