Den Augenblick festhalten

 

Vielen Künstlern geht es darum, den Augenblick festzuhalten. Ein Maler z.B. den kurzen Moment, in dem die Sonne an einem verdrießlichen Tag durch die Wolken bricht und die Landschaft in eine Zauberwelt verwandelt. Der Fotograf den Delfin, wenn er aus dem Wasser geschnellt in der Luft zu schweben scheint. Der Bildhauer den Moment, der eine dem Bade Entstiegene in der Gesamtheit ihrer Anmut zeigt.

Um so einen Augenblick festzuhalten muß sich der Fotograf nach beschwerlicher Anreise oft wochenlang auf die Lauer legen, der Bildhauer versucht über Monate hinweg die Frau aus dem Stein zu befreien, sich ständig dessen bewußt, daß er einmal Weggeschlagenes nicht mehr hinzufügen kann. Der Maler überarbeitet sein Werk über Monate hinweg immer wieder, bis es genau die Lichtstimmung des Augenblickes wiederzugeben scheint, den er festhalten wollte.

So viel Geduld, Mühe und Geschick ist nötig um einen Augenblick so festzuhalten, daß auch andere diesen Moment beim Anblick des Werkes nachempfinden können.  Und daher sind wir auch so süchtig nach Kunst, da nur sie in der Lage ist, für uns die schönen und aufregenden Rosinen aus dem Kuchen dieses doch überwiegend tristen oder mühseligen Lebens zu picken und uns darzureichen.

Wenn schon das Festhalten eines besonderen Augenblickes in der sichtbaren Welt so schwierig ist, wie soll man denn dann einen Augenblick in der unsichtbaren Welt festhalten ? Wie soll man ein Bild malen, von etwas, das man nicht sehen kann ?

Vermutlich gibt es so viele verschiedene Herangehensweisen zur Schaffung eines Werkes, wie es Künstler gibt. Die einen versuchen festzuhalten, was sie sehen, andere haben in ihrem Kopf ein Bild und versuchen dieses möglichst genau so auf die Leinwand o.ä. zu bringen, wie sie es in ihrer Vorstellung sehen. So haben wir die Möglichkeit in die Innenwelt eines Ernst Fuchs oder Arik Brauer einzutauchen.

So, wie manche Menschen nicht an Gott glauben, glaube ich nicht an den Zufall. Ja, es gibt wichtigere und unwichtigere Ereignisse, doch gibt es keinen Zufall. Was sollte man von der Mathematik halten, wenn der Lehrer auf die Frage, warum dort in der Formel  x,y oder z oder eine 1, 2 oder 3 steht und dieser dann zur Antwort gäbe „Ach, das steht da nur zufällig , da könnte genauso gut irgendetwas anderes stehen„ ? Genau so verhält es sich mit dem Leben und den Ereignissen, nur das die Komplexität dieses Lebens gegen unendlich geht und für uns die einzelnen Ereignisse daher erstmal unverständlich sind und wir, wenn überhaupt, dann erst in der Rückschau erkennen können, daß ein Ereignis an genau der passenden Stelle in der Formel stand.

Viel spannender und aufregender für mich, als etwas abzubilden, was ich sehe, ist es, zu versuchen, etwas in Erscheinung treten zu lassen, das ich nicht sehen kann. So, wie die Bewegungen der Luft an einem klaren Himmel nicht zu erkennen sind, obwohl sie in heftigster Weise stattfinden, und erst dann für uns sichtbar werden, wenn Wasserdampf in Form von Wolken in diesem Himmel erscheint.  Oder, so, wie ein Radioapparat die für uns mit keinem unserer Sinne zu erfassenden Radiowellen hörbar macht oder der Fernsehapparat diese sichtbar macht.

So, wie es physikalische Phänomene wie Radiowellen etc. gibt, die für unsere Sinne nicht wahrnehmbar sind, gibt es auch in der nicht-physischen Welt, die auch als die metaphysische, also jenseits der physischen Welt befindliche, oder auch als das Geistige bezeichnet wird  und die alle Phänomene wie Glaube, Liebe, Gott, Schicksal, Fügung etc. und eben auch den Zufall umfaßt, muß es auch dort Gesetze und Gesetzmäßigkeiten geben, die diese jenseitige Welt funktionieren lassen, denn ein System ohne Gesetzmäßigkeiten ist inexistent.

Nun ist diese als Jenseits bezeichnete Welt natürlich nicht an einem anderen Ort als die für uns begreifbare, sondern beide Welten durchdringen einander und jede Bewegung in der einen erzeugt eine Bewegung in der anderen.

Und so ist dem sensiblen Künstler oft nicht ganz wohl dabei, wenn er mit seiner Malerei ein Wesen erschafft und mancher wird bestimmte Bilder nach ihrem Entstehen vernichten, um der sichtbar gemachten Chimäre keinen Zutritt zu unserer Welt zu ermöglichen, denn kein Bild, das geschaffen wurde, bleibt, wenn es betrachtet wird, wirkungslos und wer glaubt, daß es mit Menschen nichts macht, wenn sie im Fernsehen täglich Mord und Brutalität ansehen, ist dumm.

Jemand, leider weiß ich im Moment nicht, wer es war, sagte „Einer der größten Künstler ist der Zufall“ und ich denke, dieser jemand hatte unbedingt recht. Als Aleatorik bezeichnet man es, wenn ein Künstler den Zufall in der Kunst beim Schaffen seiner Werke einsetzt.  Natürlich sind die abstrakt Malenden der Aleatorik viel näher, als die gegenständlich schaffenden Künstler.

Ich allerdings würde die aleatorische Malerei nicht als eine vom Zufall bedingte, sondern als eine „Inspirierte“ bezeichnen. Unter „inspiriert“ verstehe ich, im wahrsten Sinne des Wortes, daß sich der Künstler so weit wie möglich zurücknimmt und sich einem Spirit, einem Geist zur Verfügung stellt, so daß seine Bewegungen, sein Pinselstrich, seine Farbwahl von diesem weitestgehend gesteuert werden. Die Malerei hat dann sehr viel mit Meditation zu tun. Der eine benötigt dazu absolute Stille, der andere schafft es nur, sich völlig zu vergessen, wenn er laut die Musik aufdreht, wieder ein anderer, wenn er ganz leise Mozart laufen lässt.

Viele meiner Tuschezeichnungen entstehen als „aleatorische“  Sekundenbilder. Oft ist es nur für wenige Sekunden möglich die absolute Selbstvergessenheit aufrecht zu erhalten und in der Regel geht diese mit einer starken Erschöpfung einher und ist nicht oft wiederholbar. So wie es einen im Traum große Kraftanstrengung kostet, wenn man Wände durchdringt.

Doch diese komplette Zurücknahme des eigenen Willens ermöglicht es Strukturen und Gestalten der geistigen Welt sichtbar zu machen. Ich selbst bin dabei nur das Werkzeug, ich habe zwar den Pinsel geführt, doch habe ich das Werk nicht erschaffen.

Hier noch ein interessanter Artikel von Dr. Jürgen Tenckhoff, der mit seiner „Theorie der Quantenmonaden“ ein außergewöhnliches Zusammenwirken von Mathematik, Quantensoziologie und Metaphysik beschreibt, das sogar ein Erklärungspotential für das Geschehen bei meinen aleatorischen Sekundenbildern bietet:

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